Das griechische Altertum

Die Optik war neben der Mechanik wohl das älteste Gebiet, auf dem Wissenschaft betrieben wurde. Das Gesetz von der geradlinigen Ausbreitung des Lichtes wurde bereits um 5000 v.Chr. in Babylon bei astronomischen Instrumenten angewandt. Wahrscheinlich gewannen die Babylonier ihre Erkenntnisse aber noch aus der Erfahrung.
Eine wissenschaftliche Behandlung der Optik entwickelte sich im Griechenland des 6. Jahrhunderts vor Christus. Der Schwerpunkt lag auf der Frage, auf welche Weise das Einwirken des sichtbaren Gegenstandes auf das Auge zu erklären sei. Mehrere Schulen entwickelten mehr oder weniger abweichende Vorstellungen, die meist recht unpäzise waren. Es lassen sich daraus vier Theorien hervorheben, von denen sich jeweils zwei widersprechen:

Vorherrschend war anscheinend die Sehstrahltheorie.

Sehstrahlen Die Sehstrahltheorie geht vermutlich auf Pythagoras (570/60 - 480 v.Chr.) zurück und wurde später vor allem von Euklid (um 300 v.Chr.) und Ptolemäus (etwa 100 - 160 n.Chr.) vertreten. Das Sehen entstehe durch eine heiße Ausdünstung, die vom Auge zum Gegenstand strömt. Infolge des Widerstandes, den sie bei dem Kalten findet, wird sie vom Gegenstand zurückgedrängt und lässt so deren Empfindung zum Auge gelangen. Als Beweis wird die Fähigkeit von manchen Tieren genannt, auch bei Nacht sehen zu können.
Der Begriff Sehstrahlen geht wahrscheinlich auf Archytas von Tarent (um 430 - 345 v.Chr.) zurück. Hipparch (um 190 - 120 v.Chr.) stellte sich diese wie Hände vor, die die Umgebung ertasten. Die Wahrnehmung erreiche den Menschen dabei mit unendlicher Geschwindigkeit, da man ja sogar die entferntesten Stellen des Himmels augenblicklich sehe, wenn man die Augen öffnet. Während Euklid die Geradlinigkeit der Sehstrahlen axiomatisch voraussetzte, begründeten Heron (um 100 n.Chr.) und Damianos diese damit, dass die Natur nichts vergeblich tue, also die Sehstrahlen auf dem kürzesten Weg vom Auge zum Gegenstand gelangen müssen.
Ptolemäus stellte fest, dass die Sehstrahlen durch die Luft abgeschwächt werden. Deshalb könne man Gegenstände nur bis zu einer gewissen Entfernung sehen. Außerdem sei ein Körper nur dann deutlich zu sehen, wenn dieser die Sehstrahlen "festhalten" kann; dazu müsse er hell sein, entweder leuchtend oder von einem anderen Körper beleuchtet.
Die Sehstrahlen und die manchmal deutlich sichtbaren Sonnenstrahlen wurden als verschiedene Arten des Lichtes interpretiert. Beides seien "Lichtstrahlen" und gehorchten den gleichen Gesetzen, wobei aber das Sehen nur von den Sehstrahlen bewerkstelligt wird.

Atomisten Eine gegensätzliche Auffassung wurde von den Atomisten vertreten. Danach lösen sich von der Oberfläche eines gesehenen Körpers dauernd Atome ab, die als Abbilder des Gegenstandes durch die Luft fliegen, in das Auge eindringen und in ihm die Sehempfindung auslösen. Diese Bilder bewegen sich geradlinig nach allen Seiten mit außerordentlich großer Geschwindigkeit, wobei nicht eindeutig festzustehen scheint, ob diese als endlich oder unendlich angenommen wurde.

Bei den bisher erwähnten Theorien hat das zwischen Gegenstand und Auge befindliche Medium keine Bedeutung für das Zustandekommen des Sehvorganges. Gegen diese Auffassung wendet sich vor allem Aristoteles (384 - 322 v.Chr.). Das Licht sei nichts Körperliches, das sich zwischen Gegenstand und Auge bewegt. Vielmehr erfolge der Vorgang des Sehens durch die Einwirkung des Gegenstandes auf das Auge vermittels des dazwischen liegenden Mediums ("das Durchsichtige"). Es ist zunächst nur "potentiell" durchsichtig, d.h. dunkel. Es kann aber durch Einwirkung leuchtender Körper "aktuell" durchsichtig, d.h. hell gemacht werden. Diese qualitative Veränderung des Durchsichtigen geschieht momentan. Sie befähigt jetzt das durchsichtige Medium die Einwirkung der Farben des gesehenen Gegenstandes auf das Auge zu übermitteln. Die Wirkung auf das Auge geschieht ebenfalls momentan. Wäre das durchsichtige Medium nicht da, so könnte man nichts sehen.

Auch nach der Theorie der Stoiker ist für den Sehvorgang ein Medium (Luft) erforderlich. Allerdings ist die Richtung des Vorganges eine andere. Von dem seelischen Zentralorgan gelange das "Sehpneuma" in die Pupille und versetze die zwischen dieser und dem Gegenstand liegende Luft in einen Spannungszustand. Dieser pflanzt sich in kugelförmigen Wellen zeitlos fort und nimmt dabei die Gestalt eines Kegels an, dessen Spitze in der Pupille liegt. Auf diese Weise betastet das Auge den Gegenstand, wodurch dessen Gestalt rückwärts dem Auge vermittelt wird. Die von Natur aus dicke Luft kann allerdings nur dann eine Spannung übertragen, wenn sie durch das Sonnenlicht verdünnt wird.

Neben den Fragen über den Vorgang des Sehens beschäftiften sich die Griechen auch mit den Gesetzen der geometrischen Optik.
Schon Plato (424 - 347 v.Chr.) muss dass Reflexionsgesetz gekannt haben, da er bereits die Reflexion an Hohl- und Zylinderspiegel beschrieben hat. Auch die Brechung kannte er, was eine Erwähnung von im Wasser abknickenden Ruder zeigt.
In einem Werk des Dichters Aristophanes (um 445 - 385 v.Chr.) wurde die Wirkung von Brenngläsern (Glaslinsen oder Wasserkugeln) erwähnt.

Aristoteles (384 - 322 v.Chr.) versuchte mit dem Reflexionsgesetz die Erscheinung des Regenbogens zu erklären. Dieser entstehe durch Reflexion der Sonnenstrahlen an den Wassertröpfchen einer Regenwolke. Die Farben entstehen dadurch, dass die Sonnenstrahlen durch den Wasserdunst mehr oder weniger getrübt und verdunkelt werden. Die Farben setzen sich nach Aristoteles durch verschiedene Mischung aus den beiden Grundfarben Schwarz und Weiß zusammen.

Euklids Werke "Optik" und "Katoptrik" gelten als Grundlage der geometrischen Optik. Eine Reihe von Erfahrungssätzen werden darin als Axiome aufgestellt, daraus weitere Theoreme abgeleitet. "Optik" behandelt vor allem Fragen der Perspektive und der scheinbaren Größe von Körpern. "Katoptrik" befasst sich mit der Reflexion des Lichts an ebenen, konkaven und konvexen Spiegeln. Dabei wird erstmals der geradlinige Lichtstrahl als abstrakte mathematische Vorstellung eingeführt, wobei Euklid meist von vom Auge weggerichteten Sehstrahlen spricht. Kurz wird auch die Erscheinung der Lichtbrechung erwähnt.

Ptolemäus gilt als der bedeutendste Optiker des Altertums. Er fasste die gesamten optischen Kenntnisse des Altertums zusammen und untersuchte systematisch die Brechung des Lichts (Versuchsanleitung zur Bestimmung einer Brechungstabelle nach Ptolemäus). Ptolemäus war noch nicht in der Lage, das Brechungsgesetz in der heutigen Form zu formulieren, weil er die Sinusfunktion noch nicht kannte. Bei seinen Untersuchungen entdeckte er aber die Totalreflexion.